In der modernen Metallverarbeitung stehen zwei grundlegende Verfahren im Mittelpunkt: das spanende Bearbeiten und das Umformen. Während bei der spanenden Bearbeitung Material abgetragen wird, verändert die Umformtechnik die Gestalt des Werkstücks durch Druck oder Zug – ohne Materialverlust. Diese unterschiedliche Herangehensweise wirkt sich nicht nur auf den Materialverbrauch aus, sondern vor allem auf die physikalischen Eigenschaften des Endprodukts.
1. Gefügedichte als Basis für höhere Festigkeit
Was im Inneren passiert
Beim Umformen wird das Metall plastisch verformt. Dabei verändern sich die inneren Strukturen – die sogenannten Kristallgitter – dauerhaft. Diese Verdichtung sorgt für eine gleichmäßige Gefügestruktur, die das Bauteil insgesamt stabiler macht.
Im Gegensatz dazu entstehen bei der spanenden Bearbeitung durch das Schneiden oder Fräsen feine Risse und Mikrokerben, die als Schwachstellen fungieren können.
Ergebnis: Mehr Belastbarkeit
Durch das Verdichten der Materialstruktur kann ein umgeformtes Bauteil bei gleicher Masse deutlich höheren Kräften standhalten. Deshalb werden beispielsweise Achsen, Zahnräder oder Kurbelwellen bevorzugt durch Umformen hergestellt – dort, wo Stabilität entscheidend ist.
2. Faserverlauf: Der natürliche Kraftleiter im Werkstoff
Erhaltung der Werkstofffasern
Ein großer Vorteil der Umformverfahren liegt in der Erhaltung des natürlichen Faserverlaufs. Beim Schmieden, Walzen oder Tiefziehen werden die Materialfasern der Form angepasst, anstatt unterbrochen zu werden.
Dadurch folgt die Struktur des Werkstoffs der äußeren Geometrie des Bauteils, was zu einer optimalen Kraftverteilung führt.
Spanen zerstört den Faserverlauf
Bei der spanenden Bearbeitung hingegen werden diese Fasern durchschnitten. Das führt zu einer geringeren Bruchdehnung und verringert die Fähigkeit, Stoßbelastungen aufzunehmen. Besonders in sicherheitsrelevanten Anwendungen ist dies ein entscheidender Nachteil.
3. Verbesserte Dauerfestigkeit durch plastische Verformung
Kaltverfestigung als natürlicher Verstärker
Bei der Kaltumformung entsteht durch die plastische Dehnung eine sogenannte Kaltverfestigung. Das bedeutet, dass das Material an der Oberfläche härter und widerstandsfähiger wird. Diese Eigenschaft erhöht die Dauerfestigkeit – also die Fähigkeit, wiederholten Belastungen standzuhalten, ohne zu versagen.
Beispiel aus der Praxis
In der Automobilindustrie werden beispielsweise Radnaben oder Wellen durch Kaltfließpressen hergestellt. Sie weisen eine höhere Lebensdauer auf als vergleichbare, spanend gefertigte Bauteile – bei gleichzeitig geringerem Materialeinsatz.
4. Energieeffizienz und Stabilität in einem Schritt
Weniger Energie für mehr Leistung
Während spanende Verfahren viel Energie für das Abtragen und Nachbearbeiten benötigen, nutzt das Umformen die physikalische Eigenschaft der Duktilität des Metalls. Durch gezielten Druck und Temperatur werden die Atome neu angeordnet, ohne Material zu verlieren. Das spart Energie und sorgt gleichzeitig für eine verbesserte Strukturqualität.
Stabile Bauteile bei geringerer Masse
Da umgeformte Bauteile stabiler sind, können sie dünnwandiger konstruiert werden. Das reduziert das Gewicht – ein entscheidender Vorteil, etwa im Leichtbau für Fahrzeuge, Flugzeuge oder Maschinenbaukomponenten.
5. Oberflächeneigenschaften und Materialintegrität
Glatte Oberflächen durch Fließen statt Schneiden
Beim Umformen entstehen glatte, geschlossene Oberflächen, da das Material fließt, anstatt gebrochen zu werden. Diese Oberflächen weisen eine höhere Korrosionsbeständigkeit auf und benötigen häufig keine zusätzliche Nachbearbeitung.
Keine Risse, keine Spannungen
Da keine Späne entstehen, gibt es auch keine scharfen Kanten oder inneren Spannungen, die bei der spanenden Bearbeitung oft auftreten. Dadurch bleibt die Integrität des Werkstoffs vollständig erhalten – ein entscheidender Faktor für sicherheitsrelevante Anwendungen.
6. Wirtschaftliche und technische Vorteile vereint
Materialeffizienz
Beim Umformen bleibt nahezu das gesamte Ausgangsmaterial erhalten. Das senkt die Kosten für Rohstoffe und reduziert Abfallprodukte. Gleichzeitig verkürzen sich Produktionszeiten, da weniger Nacharbeit erforderlich ist.
Präzision bei hoher Stabilität
Moderne Umformprozesse ermöglichen heute Toleranzen, die mit spanenden Verfahren vergleichbar sind. In Kombination mit der überlegenen Festigkeit entstehen so Bauteile, die sowohl präzise als auch langlebig sind.
Fazit: Stärke durch Struktur und Effizienz
Die physikalischen Vorteile der Umformtechnik gegenüber der spanenden Bearbeitung sind deutlich: höhere Festigkeit, bessere Dauerbelastbarkeit, geringerer Energieverbrauch und optimierte Materialnutzung.
Indem sie die natürlichen Eigenschaften des Werkstoffs nutzt und verstärkt, liefert die Umformung nicht nur effizientere, sondern auch stabilere Lösungen für die industrielle Fertigung – und wird damit zum Schlüssel für moderne, nachhaltige Produktionsprozesse.